Samstag, 14. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 9 (letztes Kapitel der Leseprobe)

Kapitel 9


Es dämmerte bereits, als Leif das Haus, in dem Sam wohnte, nach einem eineinhalbstündigen Fußmarsch erreichte. Es schien sich unter das Grasdach zu ducken, das an den Seiten tief hinabgezogen war, und war noch kleiner als die Hütte des Instituts. Helle Fensterrahmen hoben sich von dem schwarzbraunen Holz der Wände ab. Ein verbeulter und dreckiger Landrover, der so aussah, als habe er mindestens dreißig Jahre auf dem Buckel, war etwas abseits geparkt.
Leif hatte gerade die Faust gehoben, um anzuklopfen, da wurde die Tür auch schon geöffnet. Sam stand im Türrahmen und schürzte misstrauisch die Lippen. Er trug nur eine verwaschene Jeans und eine Gänsehaut auf dem nackten Oberkörper. Geschwollene rote Stellen und beginnende blaue Flecke zierten seine Haut. Sein Kinn war ebenfalls verfärbt. Seine Hand schloss sich um eine Flasche, die schwer nach Whisky aussah. Um sein Handgelenk trug er das breite Lederband, das Leif ihm vor so vielen Jahren geschenkt hatte.

Donnerstag, 12. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 8

Kapitel 8


Mit einem Schmatzen lösten sich die Eingeweide aus dem Fisch. Die Klinge des blutigen Messers blitzte auf, dann wurde der ausgenommene Fisch in eine Schüssel geworfen, die Innereien landeten im Seewasser. Sam hockte auf dem Steg und hatte die Ärmel seines Pullovers hochgekrempelt. Sein Parka hing über dem Türknauf des Bootshauses.
Wie es schien, waren Sam und Steffen nach Pauls Abgang noch recht erfolgreich gewesen. Große und kleine Forellen türmten sich in dem Eimer, der neben Sam auf den Planken stand. Leif sah einige Zeit den routinierten Bewegungen zu, mit denen Sam die Fische ausnahm. Der schenkte ihm keine weitere Beachtung. Ein knapper Gruß war alles, was er Leif entgegengebracht hatte, als dieser zum Steg hinuntergegangen war. Eigentlich wäre es Pauls Aufgabe gewesen, das Gespräch zu suchen und sich zu entschuldigen. Fand zumindest Leif. Doch Paul war stur und hatte sich zum Arbeiten ins Labor zurückgezogen.

Dienstag, 10. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 7

Kapitel 7


»Verdammte Scheiße, Paul!«, blaffte Steffen, als Paul feixend die Angel mit der zappelnden Forelle genau über Steffens Kopf hinwegzog, sodass dieser mit kaltem Wasser geduscht wurde.
Leif grinste, war aber froh, wohlweislich aus Pauls unmittelbarer Nähe geflüchtet zu sein. Er hatte geahnt, dass sein Freund die Gelegenheit nutzen würde, um jede Menge Blödsinn anzustellen.
»Die machen so viel Lärm, dass wir heute Abend Knäckebrot essen werden – pur«, murmelte Sam nur wenige Schritte von Leif entfernt.

Sonntag, 8. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 6

Kapitel 6


Es dauerte etwas, bis Leif sich an das Halbdunkel im Bootshaus gewöhnt hatte. Die breite Eingangstür war hinter ihm zugefallen und klapperte nun im abendlichen Wind, der über den See strich. Er tastete sich an den Regalen entlang, die mit Werkzeug, Angelruten, Eimern, Gartengeräten und anderem Kram gefüllt waren. Der Durchgang zum hinteren Teil der Hütte war mit einer schweren Decke verhängt. Als er sie zurückzog, schlug ihm nach Holz riechende Hitze entgegen.

Freitag, 6. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 5

Kapitel 5


Brachionus zappelte über die feine Linie des Rasters, das Leif beim Zählen des Zooplanktons half. Es war der dritte Durchgang und Leif fluchte leise, als er sich erneut verzählte. Es wimmelte auf dem Objektträger vor mikroskopisch kleinem Leben, das bestimmt und katalogisiert werden wollte.
Das im Schuppen untergebrachte Labor stand in einem starken Kontrast zur urigen Gemütlichkeit der Wohnhütte. Die Wände waren weiß gestrichen, einige Tische mit Laptops darauf standen im Raum, Schränke an den Wänden bargen Gerätschaften und waren mit den wichtigsten Basisgeräten für ihre Forschungen ausgestattet. Eine Glühbirne baumelte von der Decke und spendete ihnen funzeliges Licht.

Mittwoch, 4. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 4

Kapitel 4


Das Labor wurde nur noch vom Bildschirm seines Laptops, dem Licht des Mikroskops und einigen kleinen Lämpchen an den Laborgeräten erhellt. Stille umgab Leif; die anderen waren schon vor Stunden schlafen gegangen. Aber er konnte nicht. Konzentriert betrachtete er eine seiner Proben. Sie zeigte nicht das, was er sich erhofft hatte.
Das Geräusch der sich öffnenden Tür schreckte ihn auf. Harkonsen stand im Türrahmen, das Haar zerzaust, als würde draußen ein Sturm toben. Doch es war windstill, nicht einmal die Birken raschelten. Der Norweger trat ein, wandte sich um und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Dann kam er zu Leif herüber und beugte sich etwas vor, sodass er einen Blick auf dessen Notizen werfen konnte.

Montag, 2. Juni 2014

Parallelwelt - Leseprobe Kapitel 3

Kapitel 3


Ein Schweißtropfen rann seine Schläfe hinab und kitzelte ihn, sobald er den Halsansatz erreicht hatte. Leif mochte das Gefühl seines ruhig und schwer schlagenden Herzens. Das Gewicht des Rucksacks drückte auf seine Schultern und Hüften. Schon vor einer Stunde hatte er sich Regen- und Fleecejacke ausgezogen. Die Sonne schien, die Luft war klar und frisch. Der Anstieg war nicht so schwierig, wie er befürchtet hatte, aber dennoch sehr anstrengend. Neben ihm schnaufte Paul. Er sah mitgenommen aus und Leif grinste ihn frech an. Seinem Freund schien die Puste für eine entsprechende Entgegnung zu fehlen.